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Leitlinien von BVA und DOG

Leitlinie Nr. 29

Anteriore ischämische Optikusneuropathie (AION)

Definition

Plötzliche, meist schmerzlose Sehverschlechterung mit Gesichtsfeldausfall im Nervenfaserverlauf kombiniert mit einem Papillenödem

Unterschieden wird zwischen:

  • nichtarteriitischer AION, gehäuft bei Vorliegen kardiovaskulärer Risikofaktoren
  • AION durch Arteriitis temporalis, Hinweise für Arteriitis temporalis sind
    • hohes Alter
    • sehr ausgeprägte Sehminderung
    • typische allgemeinmedizinische Begleitsymptome (siehe Anamnese)
    • Tastbefund der Temporalarterie
    • Laborbefunde (häufig BSG-Erhöhung)

Epidemiologie

  • bei nichtarteriitischer AION beträgt die Jahresinzidenz 1:10.000 (1) und das Durchschnittsalter 61 Jahre; häufiger Befall des Partnerauges (bei ca. 19% innerhalb von 5 Jahren) (2)
  • bei Arteriitis temporalis häufiger Befall des Partnerauges meist innerhalb weniger Tage, Alter meis über 70 Jahre
  • Rezidiv am selben Auge selten

Ziel

  • Besserung oder Erhalt der Funktion des betroffenen Auges, soweit möglich
  • Prävention des Befalls des Partnerauges
  • ggf. Erkennung einer vaskulären Grundkrankheit zur Prävention eines weiteren Organbefalls

Vorgehen

Notwendig:

  • Anamnese u.a. initial zur Abgrenzung einer Arteriitis temporalis
    • Druckschmerz über der Arteria temporalis ?
    • spontaner Kopfschmerz ?
    • Doppelbilder ?
    • Schmerzen beim Kauen oder Kämmen ? Zungenschmerz ?
    • Abgeschlagenheit/Schwäche ?
    • subfebrile Temperaturen ?
    • Polymyalgie ?
  • Sehschärfenprüfung ggf. mit bekannter Korrektur (falls erforderlich Ausmessen vorhandener Sehhilfen)
  • Inspektion und Palpation der Temporalartene (zumindest bei Erstuntersuchung)
  • Prüfung auf afferente/efferente Pupillenstörung
  • Spaltlampenuntersuchung der vorderen Augenabschnitte
  • Untersuchung des zentralen Augenhintergrundes (möglichst binokular)
  • Perimetrie
  • Veranlassung von Laboruntersuchungen zum Nachweis oder Ausschluß einer Arteriitis temporalis (z.B. BSG, Blutbild - zumindest bei Erstuntersuchung)
  • Dokumentation
  • Befundbesprechung und Beratung

Im Einzelfall erforderlich:

  • weitere Untersuchung der altersentsprechenden Basisdiagnostik (z.B. bei durch den Lokalbefund nicht zu erklärender Visusminderung oder bei Patienten, die sich erstmals oder nach einem Intervall von über einem Jahr seit der letzten augenärztlichen Basisdiagnostik vorstellen, siehe Leitlinie Nr. 4)
  • Biopsie der A. temporalis vor allem bei unklarer Symptomatik nach Abschätzung des Risikos einer zerebralen Durchblutungsstörung (Doppler-Sonographie)
  • weitere Labordiagnostik (z.B. CRP)
  • CT oder MRT nur unter kritischer Indikationsstellung, z.B. bei fehlender Rückbildung des Papillenödems innerhalb von 3 Monaten (u.a. zum Ausschluß eines Optikustumors)
  • Kommunikation mit dem Hausarzt zumindest bei Erstdiagnose
    • nichtarteriitische AION:
      • Abklärung kardiovaskulärer Erkrankungen und ihrer Risikofaktoren
      • ggf. Ausschluß einer Autoimmunerkrankung bei jüngeren Patienten oder Fehlen von Risikofaktoren
    • AION durch Arteriitis temporalis:
      • engmaschige Abstimmung von Diagnostik und Therapie

Therapie

  • nichtarteriitische AION:
    • Behandlung von Grundkrankheiten/Risikofaktoren z.B. Diabetes, Hypertonie, Hyperlipoproteinämie, Polyglobulie, Herz-Kreislauferkrankungen, Schlafapnoe-Syndrom
    • isovolämische Hämodilution in der Akutphase (Wirkung nicht eindeutig nachgewiesen)
    • ASS (z.B. 100 mg/die) als Sekundärprophylaxe (Wirkung nicht eindeutig nachgewiesen)
  • AION durch Arteriitis temporalis (auch bei begründetem Verdacht)
    • sofortige stationäre Behandlung (Augen- oder internistische Klinik) zur hochdosierten parenteralen Steroidtherapie unter internistischer Kontrolle und Betreuung (initial 500-1000mg Prednison-Äquivalent i.v. verteilt auf 2-4 Einzelgaben/Tag; ggf. in der Praxis bereits 100 mg Prednison-Äquivalent i.v.)
    • kontrollierte Reduzierung der Steroidgabe (zusammen mit Internisten/Hausarzt u.a. nach BSG-Verlauf) und langdauernde Fortführung bei möglichst niedriger Dosis

Ambulant/Stationär

  • AION ohne Arteriitis temporalis: in der Regel ambulant
  • AION mit Arteriitis temporalis: initial stationär

Kontrollintervalle

  • AION ohne Arteriitis temporalis: je nach Befund, mindestens nach einer Woche, einem Monat und drei Monaten
  • AION mit Arteriitis temporalis: je nach Befund auch kurzfristig

(1)
Hattenhauer MG, Leavitt JA, et al
"Incidence of nonarteritic anterior ischemic optic neuropathy"
Am J Ophthalmol 123: 103-107 (1997)

(2)
IONDT-Group
"Optic nerve decompression surgery for nonarteritic ischemic optic neuropathy (NAOIN) is not effective and may be harmful. The Ischemic Optic Neuropathy Decompression Trial"
JAMA 273: 625-632 (1995)


Letzte Durchsicht und Aktualisierung: 25.07.2001


Leitlinien sind Orientierungshilfen im Sinne von "Handlungs- und Entscheidungskorridoren", von denen in begründeten Fällen abgewichen werden kann oder sogar muss. Sie beschreiben, was Augenärzte für eine angemessene Patientenversorgung in der Praxis für geboten halten. Dies entspricht in vielen Fällen nicht dem Leistungsniveau der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland. Die augenärztliche Basisdiagnostik wird aus Vorsorgegründen empfohlen. Die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland gewährt derzeit keinen primären Anspruch auf augenärztliche Vorsorge von Sehstörungen und Erkrankungen des Sehorgans (siehe Präambel).

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