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Von der Fehlsichtigkeit der Sparpolitik im Gesundheitswesen

Düsseldorf, 13.06.2003 - Ab 2004 Sehhilfen nur noch, wenn man damit weder lesen noch Auto fahren kann

Ab Januar 2004 soll von wenigen Ausnahmen abgesehen jeder Bundesbürger seine Brille selbst bezahlen; seine Krankenkasse gewährt ihm keinen Zuschuss mehr. Schon heute sieht längst nicht jeder so gut, wie er sehen müsste. Der Grund für unzureichende Sehfehler-Korrektion ist meist die Unaufmerksamkeit den eigenen Augen gegenüber. An schlechtes Sehen kann man sich gewöhnen. Wenn nun durch Streichung des Festbetrages für Sehhilfen aus dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen dokumentiert wird, dass es auf gutes Sehen nicht so sehr ankommt, wird sich die Zahl derer vervielfachen, für die ihre "alte Brille noch gut genug ist", auch wenn die Werte längst nicht mehr stimmen.

Die deutschen Augenärzte können in dem Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Gesundheitssystems insofern keinen sinnvollen Beitrag zur Entlastung der Krankenkassen erkennen, als im § 33 eine wenig differenzierte Ausgliederung der Sehhilfen gefordert wird. Wenn von den bisherigen jährlichen Ausgaben für Sehhilfen von 670 Millionen Euro 500 Millionen eingespart werden sollen, dann müsste der Rotstift gerade dort ansetzen, wo es besonders teuer wird, nämlich bei den vergrößernden Sehhilfen für hochgradig Sehbehinderte. Was dies für die Rehabilitation arbeitsfähiger Patienten und für die zunehmende Anzahl sehbehinderter alter Menschen bedeuten würde, bedarf keiner Erklärung.

Ausgenommen sind laut Entwurf Zuschüsse zur Sehhilfe für Kinder und Jugendliche bis zu 18 Jahren. Weiterhin Anspruch auf Zuzahlung hätten außerdem Personen, die "auf beiden Augen mindestens eine Sehbeeinträchtigung der Stufe 1 der internationalen Klassifikation der Krankheiten aufweisen". Prof.Dr. Bernd Bertram, 2. Vorsitzender des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands: "Sehhilfen werden dann nur noch Erwachsenen ersetzt, wenn sie damit weder lesen noch Auto fahren können. Alle anderen, auch die mit hochgradigen Sehfehlern, erhalten keine Sehhilfen mehr zu Lasten der Kassen. Dann würde also eine Sehhilfe von den Kassen umso eher ersetzt, je schlechter das damit erzielte Resultat ist".

Die Augenärzte kritisieren an dem Gesetzesentwurf, dass entgegen den Aussagen hochrangiger Politiker keine augenärztliche Fachgesellschaft zur Beratung hinzugezogen wurde.

Die Tatsache, dass in mehreren EG-Ländern Sehhilfen nicht Bestandteil der GKV sind, lässt Dr. Uwe Kraffel, 1. Vorsitzender des BVA nicht gelten. "Wir wollen ja auch nicht, dass hier zu Lande nach britischem Muster jeder über 65jährige für seine Dialyse selber aufkommen muss". Auch das Argument, die Verbraucher seien jetzt schon bereit, ein Mehrfaches des Festbetrags für Sehhilfen auszugeben, hat laut Kraffel keinen Bestand. "Wir kennen doch viele Patienten, die jeden Cent umdrehen müssen und für die der Festbetrag unverzichtbar bleibt".