Die Augengesundheit hat in der Bevölkerung einen sehr hohen Stellenwert. Die Augen sind das wichtigste Sinnesorgan, und der Verlust des Sehvermögens wird von den Menschen als eine sehr schwere Beeinträchtigung eingeschätzt. Ein Abfallen der Sehschärfe beider Augen auf unter 10 Prozent beispielsweise wird als eine gleich schwere Beeinträchtigung der Lebensqualität wie ein schwerer Schlaganfall angesehen.
Auch bei einem Bevölkerungsrückgang um 3,5 Prozent bis zum Jahr 2030 wird die Nachfrage nach Leistungen der Augenheilkunde um 10 Prozent wachsen. Das hat Gesundheitsökonom Prof. Dr. Eberhard Wille in einem Gutachten für den Deutschen Facharztverband errechnet. Der Hauptgrund für diesen Anstieg ist in der Alterung der Gesellschaft zu sehen. Denn die Augenkrankheiten, die für die meisten Erblindungen verantwortlich sind, nehmen mit dem Alter an Häufigkeit zu.
Hinzu kommt der enorme medizinische Fortschritt in der Augenheilkunde mit immer differenzierteren diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten. Die Augenheilkunde ist ein hochinnovatives Fach. Neue Behandlungsmethoden sorgen dafür, dass Blindheit und Sehbehinderung immer wirkungsvoller verhindert werden können. Die Medikamentengabe direkt ins Augeninnere hat in den vergangenen zehn Jahren die Therapie der feuchten Altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) revolutioniert. Der Ansatz, mit Medikamenten das krankhafte Gefäßwachstum im Auge gezielt zu hemmen, hilft nun auch Patienten mit diabetischem Makulaödem. Bei einem Venenverschluss im Auge haben Augenärzte ebenfalls die Möglichkeiten verbessert, das Sehvermögen ihrer Patienten zu retten.
Hochmoderne Diagnostik trägt dazu bei, dass die meisten Augenkrankheiten, die die Sehkraft bedrohen, schon in sehr frühen Stadien entdeckt werden können. Der Augenarzt erkennt Veränderungen am Auge, noch ehe der Patient selbst Symptome wahrnimmt. Das ist umso bedeutender, als die Behandlungen in diesen frühen Krankheitsstadien besonders wirksam sind. So lässt sich das Fortschreiten eines Glaukoms (Grüner Star) mit Hilfe von Augentropfen aufhalten - doch Schäden, die bereits am Sehnerv entstanden sind, lassen sich nicht reparieren. Bei der AMD und bei der diabetischen Retinopathie kann der Augenarzt das Sehvermögen der Patienten ebenfalls erhalten, in einem gewissen Ausmaß sogar wieder verbessern. Doch auch hier gilt: Wartet man zu lange mit der Behandlung, sind irreparable Schäden eingetreten und wertvolles Sehvermögen ist verloren gegangen.
Gesundheitspolitiker sind gefordert, Konzepte zu entwickeln, um den wachsenden Bedarf an augenärztlichen Leistungen zu decken. Die heutige Situation ist in vielfacher Hinsicht wenig zufriedenstellend. Vor allem die Vergütung der augenärztlichen Grundversorgung muss verbessert werden. Die Zahl der Patienten in der Augenheilkunde, die operativ behandelt werden, wächst zwar, doch es ist nach wie vor eine kleine Minderheit. Das Gros der Patienten kommt zu Untersuchungen und zu nicht-operativen Therapien sowie zur Früherkennung von Krankheiten, die das Sehvermögen bedrohen, in die Augenarztpraxen.
Doch in den letzten Jahren wurde die Tätigkeit als nicht operativ tätiger niedergelassener Augenarzt immer unattraktiver, sodass immer mehr junge Augenärzte das Risiko scheuen, sich in einer Augenarztpraxis niederzulassen. Die Gründe dafür sind vielfältig, wobei neben der schlechten Honorierung der augenärztlichen Grundversorgung der Hauptgrund die fehlende Planungssicherheit ist. Gemeint sind damit nicht die Risiken, die jeder Freiberufler hat, sondern "Spezialitäten" des deutschen Vertragsarztwesens:
Dadurch entsteht eine erhebliche Verunsicherung. Viele aktive junge Kollegen, die sich eigentlich gerne als Freiberufler niederlassen würden, wollen und können dieses erhebliche Risiko nicht eingehen, obwohl eigentlich ein hoher Bedarf an qualifizierter augenärztlicher Versorgung im niedergelassenen Bereich besteht. Die wohnortnahe Patientenbetreuung in Einzel- und kleinen Gemeinschaftspraxen wird erschwert, gleichzeitig zentrieren Praxisverbünde und Medizinische Versorgungszentren die Versorgung immer mehr. Trotzdem bestehen gute Zukunftsaussichten für niedergelassene Augenärzte, wenn die Politik und der Bewertungsausschuss die Rahmenbedingungen verbessern und vor allem, wenn sie für mehr Planungssicherheit sorgen.
In den vergangenen Jahren war die Gesellschaft nicht bereit, die steigenden Kosten für den Mehrbedarf in der augenärztlichen Grundversorgung und für die innovative Diagnostik über das GKV-System zu finanzieren. Einschlägige Statistiken weisen auf den Anteil für die Augenheilkunde am Gesamttopf der GKV hin. Dabei werden die Ausgaben für operative und für nicht-operative Leistungen immer zusammengefasst. Infolge des enormen Fortschritts in der Augenheilkunde im ambulanten Bereich und der dadurch bedingten erheblichen Ausweitung der operativen Leistungen verstärkt sich das schon bestehende Ungleichgewicht: Der Anteil der Ausgaben für die nicht-operative Augenheilkunde sinkt immer weiter. Aktuell sieht es so aus, dass aus dem Gesamtbudget der GKV von 171 Milliarden nur rund 700 Millionen Euro auf die ambulante Grundversorgung in der Augenheilkunde entfallen, weitere 600 Millionen Euro GKV-Honorare kommen für ambulante Operationen hinzu. Die Kliniken rechnen stationäre Leistungen in Höhe von etwa 600 Millionen Euro ab. Damit betragen die GKV-Honorare für Augenärzte insgesamt 1,9 Milliarden Euro. Alleine für Sehhilfen bezahlen die Deutschen pro Jahr etwa 4,8 Milliarden Euro.
Augenärzte sind seit einigen Jahren bei den zahlreichen innovativen diagnostischen Möglichkeiten, die nicht in den GKV-Leistungskatalog aufgenommen wurden, in einem Dilemma: Sie wollen ihren Patienten notwendige und wichtige Untersuchungen anbieten, aber die gesetzlichen Krankenkassen zahlen diese nicht. Exemplarisch seien hier nur einige Beispiele genannt:
Die Fachgesellschaften machen in ihren Stellungnahmen deutlich, welche Untersuchungsmethoden medizinisch sinnvoll und notwendig sind. Jüngste Beispiele sind die aktuellen Stellungnahmen der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft, des Berufsverbands der Augenärzte (BVA) und der Retinologischen Gesellschaft (RG) zur Therapie der AMD und des diabetischen Makulaödems, die die OCT-Untersuchung als "wichtige Maßnahme in Hinblick auf eine quantitative Verlaufskontrolle und qualitative Beurteilung des Makulaödems" bezeichnet.
Da für eine Aufnahme solcher innovativer Untersuchungsmethoden in den GKV-Leistungskatalog keine Gelder zur Verfügung gestellt werden, geraten Augenärzte in ein ethisches Dilemma. Bislang bleibt ihnen nur die Möglichkeit des IGeL-Angebotes. Dieses Vorgehen wird dann aber häufig als "Abzocke" angeprangert. Doch wenn ein Augenarzt diese Leistungen seinen Patienten nicht anbietet, handelt er wider besseres Wissen und versorgt seine Patienten nicht dem aktuellen medizinischen Standard entsprechend.
Der Berufsverband der Augenärzte Deutschlands hat die Initiative "Klarheit schaffen" ins Leben gerufen. Sie will aufklären über die Möglichkeiten der modernen Augenheilkunde, das Sehvermögen bis ins hohe Alter zu erhalten. Denn aufgeklärte Patienten wissen den Wert ihrer Sehkraft zu schätzen. Augenärzte fordern damit aber auch Krankenkassen und Gesundheitspolitiker zu mehr Engagement für die Augengesundheit und zu mehr Ehrlichkeit in der gesundheitspolitischen Diskussion auf.
Prof. Dr. med. Bernd Bertram 1. Vorsitzender des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands e.V.
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Abb. 1:
Klarheit schaffen: Der BVA will mit seiner Kampagne zur Aufklärung beitragen.
Abb. 2:
Von klein auf durchblicken: Die Initiative "Klarheit schaffen" erläutert, welche augenärztlichen Vorsorgeuntersuchungen für Kinder sinnvoll sind.
Abb. 3:
Das Augenlicht bewahren: "Klarheit schaffen" informiert über Möglichkeiten, Augenkrankheiten früh zu erkennen und zu behandeln.
Herausgeber:
Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.V. (BVA)
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