Pressemitteilung
Medizin/Gesundheit/Augenheilkunde

AAD Pressekonferenz 2012

Prof. Dr. Uwe Pleyer:

Wenn Rheuma ins Auge geht:

Entzündungen, die das Sehvermögen bedrohen

Entzündungen, die das Sehvermögen bedrohen

So unangenehm das ist, denkt der Betroffene doch nicht zwingend an eine Krankheit, die sein Augenlicht bedroht.
Denn das Auge reagiert auf die verschiedensten Ursachen oft mit derselben Antwort – einer Rötung.
Die Ursache eines roten Auges kann harmlos, aber auch gravierend sein. Und so kann das rote Auge eben auch ein Anzeichen für eine ernste Entzündung im Auge, eine Uveitis sein. Patienten tun deshalb gut daran, ein rotes Auge, das länger als 48 Stunden anhält, vom Augenarzt untersuchen zu lassen.
Erkennt er Anzeichen einer Uveitis, dann fragt der Augenarzt den Patienten möglicherweise, ob er auch unter Gelenkbeschwerden leidet.
Denn an rheumatischen Erkrankungen sind oft auch die Augen beteiligt.
Nicht selten sind die Beschwerden am Auge sogar das Leitsymptom und der Augenarzt äußert als erster die Verdachtsdiagnose „Rheuma“.

Angriff des Immunsystems

Unter dem Oberbegriff „Rheuma“ wird eine Vielzahl von Krankheiten zusammengefasst, die vor allem – aber nicht nur – den Bewegungsapparat betreffen.
Besonders wichtig sind hier die entzündlich-rheumatischen Erkrankungen wie die Spondylarthropathien (das sind Entzündungen der Wirbelsäulengelenke wie zum Beispiel der Morbus Bechterew), die schon im Kindesalter auftretende juvenile idiopathische Arthritis oder auch die Psoriasis-Arthritis.
Bei diesen Autoimmunkrankheiten kommt es zu einer Störung des Immunsystems.
Der Körper greift eigenes Gewebe an, beispielsweise bei der rheumatoiden Arthritis die Gelenkinnenhaut. So entstehen Entzündungen, die äußerst schmerzhaft sein können.
Am Auge können alle Strukturen von den entzündlichen Prozessen beeinträchtigt werden.
Dies reicht von der Zerstörung der Tränendrüse, mit nachfolgend trockenem Auge, bis zur Schädigung der empfindlichen Strukturen innerhalb des Auges.
Sie betrifft vor allem die Uvea, die anatomisch die Regenbogenhaut (Iris), den Strahlenkörper (Ziliarkörper) und die Aderhaut (Choroidea) umfasst.
Sie verläuft als mittlere Gewebeschicht zwischen umgebender Lederhaut und Netzhaut und versorgt diese mit Blut und Nährstoffen.
Da das Auge eines der am besten durchbluteten Organe des Körpers ist, erklärt sich die häufige Beteiligung bei systemischen Erkrankungen.
Eine Entzündung der Uvea ist die zweithäufigste Ursache für Erblindungen bei Menschen im erwerbsfähigen Alter in Deutschland.

Unterschiedliche Beschwerden – unterschiedliche Ausprägung

Menschen aller Altersgruppen können von entzündlichen Augenveränderungen bei rheumatischen Erkrankungen betroffen sein.
Die rheumatoide Arthritis betrifft meist Patienten nach dem 40. Lebensjahr und wird häufiger von einem trockenen Auge oder einer Lederhautentzündung begleitet.
Als Beschwerden werden „brennende“ Augen mit Fremdkörpergefühl, ein rotes Auge und gegebenenfalls auch stechende Schmerzen geäußert.
Entzündungen, die eher die inneren Strukturen des Auges angreifen, treten bei Kindern und jungen Erwachsenen im 20. bis 40. Lebensjahr auf.
Dabei können die Patienten unter sehr unterschiedlichen Beschwerden leiden, die von vermehrter Blendempfindlichkeit bis zu Schmerzen und unscharfem Sehen reichen.
Gerade Kinder wiederum äußern meist gar keine Beschwerden.
Das Auge ist äußerlich nicht gerötet, dennoch ist die Regenbogenhaut oft stark entzündet.
Je nachdem, ob der vordere, der mittlere, der hintere Augenabschnitt oder gar das ganze Auge betroffen sind, sprechen Augenärzte von anteriorer (Iritis), intermediärer (Glaskörperentzündung), posteriorer Uveitis (Netzhautentzündung) oder von einer alle Anteile umfassenden Panuveitis.
Die Entzündung tritt überwiegend akut auf und verläuft bei circa der Hälfte der Betroffenen mit wiederkehrenden Schüben oder auch chronisch.
Bereits bei der ersten Entzündungsepisode, vor allem aber bei chronischem Verlauf stellen sich häufig Komplikationen ein: Bei der anterioren Uveitis kann die Regenbogenhaut mit der Linse „verkleben“ und zur irregulären Entrundung der Pupillenöffnung führen.
Die Linse kann im weiteren Verlauf trübe werden und bereits im jungen Lebensalter einen grauen Star (Katarakt) entwickeln.
Der Augeninnendruck kann beträchtlich schwanken. Bei Kindern und bei langer Krankheitsdauer lagert sich mitunter Kalzium in die Hornhaut ein.
Schließlich kann sich als Komplikation mit schwerer Sehbeeinträchtigung eine Flüssigkeitseinlagerung in der Netzhaut, ein Makulaödem, entwickeln.
Zusätzlich erweist sich als problematisch, dass die Risiken einer Linsentrübung und eines erhöhten Augendrucks durch die akut notwendige, Kortison-haltige medikamentöse Therapie steigen.
Daher sucht der Augenarzt bei chronisch wiederkehrendem Verlauf oft alternative Behandlungsmöglichkeiten.

Enge interdisziplinäre Zusammenarbeit

Sowohl für die Diagnostik begleitender Erkrankungen als auch für die Langzeitbehandlung der Patienten ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit wichtig.
Die Augenärzte kooperieren dabei eng mit Rheumatologen, Internisten und Kinderärzten. Insbesondere bei Kindern, die an einer juvenilen idiopathischen Arthritis leiden, ist die Zusammenarbeit unverzichtbar.
Da ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Uveitis besteht und Kinder selten Beschwerden äußern, sind regelmäßige "Routine"-kontrollen notwendig.
Tritt eine Augenentzündung auf, ist diese rasch zu behandeln.
Auch müssen Nebenwirkungen der Medikamente beachtet werden, die bei Kindern oft sehr rasch eintreten.
Bei Erwachsenen kommen zu Uveitis und Rheuma oft noch weitere Krankheiten hinzu, die bei der langfristigen Betreuung zu berücksichtigen sind.
So leidet fast jeder zweite Patient mit rheumatoider Arthritis bereits zu Krankheitsbeginn an mindestens zwei weiteren chronischen Krankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Osteoporose.
Schon wenn zum ersten Mal eine Entzündung am Auge festgestellt wird, muss man nach weiteren Krankheiten forschen und die Behandlung entsprechend ausrichten.

Mehrere Möglichkeiten für eine wirksame Therapie

Je nach Schwere und Verlauf einer Uveitis reichen für die akute Behandlung oft Kortison-haltige Augentropfen aus.
Bei einer anterioren Uveitis werden zusätzlich Augentropfen zur Pupillenerweitung (Mydriatika) gegeben.
So wird verhindert, dass die Regenbogenhaut mit der Linse verklebt.
Bei schwereren Entzündungen kann man Kortison zusätzlich unter die Bindehaut oder hinter das Auge spritzen oder die Krankheit auch systemisch mit Kortison-Tabletten behandeln.
Bei jeder kurz- oder langfristigen Behandlung mit Kortison gilt es, auf mögliche Nebenwirkungen zu achten:
Zum einen besteht die Gefahr, dass der Augeninnendruck ansteigt, so dass ein Glaukom mit Zerstörung des Sehnerven droht, zum anderen kann die Augenlinse eintrüben (Kortison-Katarakt).
Patienten mit häufig wiederkehrenden Entzündungen kann man das Kortison ersparen, indem man eine immunmodulierende Behandlung mit Wirkstoffen aus der Rheumatologie, zum Beispiel mit Methotrexat oder Cyclosporin A wählt.

Neue Behandlungsmöglichkeiten: Biologika

Fortschritte in der Behandlung rheumatologischer Erkrankungen ermöglichen weitere innovative Ansätze, um schwere, chronische Entzündungen langfristig interdisziplinär zu behandeln.
Autoimmunerkrankungen werden seit einigen Jahren erfolgreich mit neuartigen Medikamenten, so genannten Biologika therapiert.
Meist sind dies Antikörper, die - zum Beispiel bei Rheuma - gezielt in die Entzündungsreaktion eingreifen.
Sie blockieren einen Signalstoff, den Tumornekrosefaktor (TNF-a).
Dieses Eiweiß ist ein zentraler Vermittler zwischen der angeborenen und der erworbenen Immunantwort im menschlichen Immunsystem.
Auch bei der Uveitis spielt TNF-a eine zentrale Rolle.
In den Augen der Betroffenen lässt sich eine erhöhte Konzentration dieses Signalstoffs nachweisen.
Er wird zum Teil von Zellen im Auge selbst gebildet und ist an der Gewebezerstörung wesentlich beteiligt.
Fünf Medikamente sind für den systemischen Einsatz zur Blockade von TNF-a verfügbar und für die Behandlung rheumatologischer Krankheiten zugelassen (Etanercept, Infliximab, Adalimumab, Golimumab und Certolizumab).
Von der Behandlung mit TNF-a-Hemmern profitieren auch Uveitis-Patienten, vor allem solche mit einem schweren Krankheitsverlauf, die bisher nicht erfolgreich behandelt werden konnten.
Schon seit etwa zehn Jahren gibt es Berichte darüber, dass Rheumapatienten mit einer Uveitis gut auf TNF-a-Hemmer ansprechen.
Es kommt seltener zum Wiederaufflammen der Augenentzündung oder sie wird gänzlich verhindert.
Vor allem Infliximab und Adalimumab haben sich bewährt.
Die Behandlung findet dabei im Rahmen des so genannten off-label-use statt, da die Medikamente für die Therapie der Augenkrankheit bisher nicht zugelassen sind.
Ein weiterer Antikörper, der zur Behandlung der anterioren Uveitis lokal angewendet werden kann, ist derzeit in der klinischen Erprobung.
Wenn ein so zentraler Signalstoff des Immunsystems ausgebremst wird, ist es allerdings wichtig, die Patienten bereits vor der Therapie sorgfältig zu kontrollieren, um sicherzustellen, dass sie nicht von bakteriellen oder viralen Krankheitserregern infiziert sind.
Gefürchtet sind insbesondere vorbestehende, latente (Tbc-) oder neue Infektionen.

Makulaödem - ein Hauptgrund für die Sehverschlechterung bei Uveitis

Bei einer Uveitis fördern Entzündungsmediatoren die Entwicklung eines zystoiden Makulaödems.
Dabei sammelt sich an der Stelle des schärfsten Sehens Flüssigkeit in Hohlräumen (Zysten) unter der Netzhaut an.
Dazu tragen wiederum Zytokine, unter anderem TNF-a, und Schäden an den Blutgefäßen im Auge bei.
Solange die Entzündung andauert, steht ihre Behandlung und die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund.
Wenn in der entzündlichen Phase ein Makulaödem entsteht, muss es parallel zur antientzündlichen Therapie gezielt behandelt werden.
Bleibt das Makulaödem auch nach Abklingen der Entzündung bestehen, wird seine Behandlung fortgesetzt.
Dazu stehen Medikamente zur Verfügung, die direkt ins Auge - intravitreal - oder hinter den Augapfel - parabulbär - gespritzt werden.
Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG), die Retinologische Gesellschaft (RG) und der Berufsverband der Augenärzte (BVA) empfehlen in einer Stellungnahme zur Therapie des Makulaödems bei Uveitis ein schrittweises Vorgehen.
Zunächst wird versucht, mit der systemischen Gabe des Wirkstoffs Acetazolamid eine Rückbildung des Ödems zu erreichen.
Gelingt das nicht, folgt im zweiten Therapieschritt eine parabulbäre Injektion des Kortisons Triamcinolon oder eine systemische Kortison-Therapie.
Bessert sich das Makulaödem auch durch diese Behandlung nicht, können im dritten Schritt so genannte VEGF-Inhibitoren, dies sind gefäßwirksame Antikörper (Ranibizumab oder Bevacizumab), oder ein Steroid-Implantat (Ozurdex) in den Glaskörper eingebracht werden.
Vorteil der VEGF-Hemmer ist, dass sie im Vergleich zum Kortison-Implantat weniger Risiken wie Linsentrübung und Augendrucksteigerung aufweisen.
Andererseits ist ihre Wirkung nicht sicher belegt und oft nur von kurzer Dauer, sodass meist mehrfache Injektionen notwendig sind.
Ozurdex wurde dagegen für die Behandlung der intraokularen Entzündung zugelassen und wirkt mehrere Monate lang.

Fazit

Entzündliche Augenerkrankungen treten häufig in Verbindung mit Allgemeinerkrankungen auf und können sehr schwerwiegend verlaufen.
Die Entzündungen im Augeninneren können sich sehr vielfältig präsentieren, betreffen Patienten im jüngeren Lebensalter und weisen oft einen chronisch wiederkehrenden Verlauf auf.
Dies kann nicht nur zu Einschränkungen des Sehvermögens, sondern auch zu starker psychischer Belastung führen.
Die interdisziplinäre Betreuung ist daher in vielen Aspekten für diese Patienten entscheidend, um diagnostische und therapeutische Maßnahmen zu koordinieren.
Neue Behandlungsmöglichkeiten lassen berechtigt hoffen, dass sich die Prognose für Patienten mit schweren Entzündungserkrankungen künftig verbessert.


Prof. Dr. med., F.E.B.O.
Uwe Pleyer

University-Eye Clinic Charité, CVK
Humboldt University
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Fax: 0049 30 450 554900

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Leitbefunde_1

Diese Patientin erblindete durch eine über Jahre bestehende Uveitis, die im Kindesalter begann. Die Grunderkrankung war eine juvenile Arthritis. Die Hornhaut ist getrübt und es kam zu Gefäßeinwachsungen (Neovaskularisationen).


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