Künstliche Intelligenz (KI) hält Einzug in das Gesundheitswesen – auch und gerade in der Augenheilkunde. Schon heute gibt es Anwendungen, die für die Diagnose von Netzhauterkrankungen eingesetzt werden können. Doch Augenärzte fürchten keineswegs, dass „Doktor Algorithmus“ sie arbeitslos machen wird.
Die rasanten Fortschritte der Computertechnologien haben es etwa seit dem Jahr 2015 ermöglicht, dass KI, insbesondere die Strategie des „Deep Learning“, in der Bilderkennung den menschlichen Fähigkeiten nahe kam.
KI kann man besonders gut dort einsetzen, wo klar definierte Fragestellungen auf Daten angewendet werden, die die notwendigen Informationen enthalten. Das Prinzip beruht darauf, einen lernenden Algorithmus mit einem Trainingsdatensatz zu formen. Von der Qualität und Größe dieses Datensatzes hängt die Qualität und Anwendbarkeit des „Deep Learning“-Algorithmus ab.
In der Augenheilkunde bieten sich solche Methoden besonders für die Diagnose von Netzhauterkrankungen an. Denn gerade hier gibt es nicht invasive bildgebende Verfahren, mit denen Augenärzte Tag für Tag große Mengen an komplexen Daten gewinnen, die es auszuwerten gilt. So gibt es bereits ein Programm, welches Schnittbilder des Augenhintergrundes (sogenannte Optische Kohärenztomographie, OCT) analysiert. Auch Nicht-Mediziner können diese Bilder aufnehmen. Invasive Maßnahmen oder eine medikamentöse Erweiterung der Pupillen sind dafür nicht notwendig. In einer Studie erkannte der Algorithmus, bei welchen Patienten der Verdacht auf eine Netzhautkrankheit bestand und eine dringende Abklärung durch einen Augenarzt erforderlich war. Der Computer war dabei genauso gut wie Netzhautspezialisten und wesentlich besser als Optometristen.
Künstliche Intelligenz kann aber weit mehr. So war es möglich, allein durch die Analyse des Augenhintergrundes das Geschlecht, das Alter, die Rauchgewohnheiten und den Blutdruck von Probanden mit hoher Genauigkeit zu erkennen. So etwas kann auch ein erfahrener Augenarzt nicht. Dieses Beispiel zeigt das Potenzial der Methode, das über bisher verfügbare Möglichkeiten hinausgeht.
Die Nutzung der künstlichen Intelligenz in der Medizin hat neben der fachlichen aber auch eine gesellschaftlich-ethische Dimension. Das große Interesse von Konzernen wie Google und ihr Engagement auf diesem Gebiet bergen auch Gefahren. Die massenhafte Analyse von Gesundheitsdaten greift in sehr sensible, persönliche Bereiche ein. Fotos des Augenhintergrundes sind individuell einmalig und nicht anonymisierbar, genauso wie genetische Daten. Bei allen Anwendungen, die in den hochsensiblen Bereich der Gesundheit und Persönlichkeit eines Menschen eingreifen, müssen Ärzteschaft und Gesellschaft dafür sorgen, dass die Entwicklungen nicht dem Profit großer Konzerne dienen. Einzig die Patienten und das Gesundheitssystem dürfen davon profitieren.
Letztlich sind ärztliche Entscheidungen noch immer zu komplex, um sie komplett in Algorithmen auszudrücken. Die Computer-Algorithmen beruhen auf den vorgegebenen Trainingsdaten und sind anfällig für systematische Fehler. Die Auswertungen und Ergebnisse können nicht als Handlungsanweisungen interpretiert werden. Zudem gehen in den ärztlichen Entscheidungsfindungsprozess viele Faktoren ein, nicht nur die Daten, die sich in einen Computer eingeben lassen. Empathie, psychologisches Gespür und das sensible „Erspüren“ der Wünsche der Patienten – diese Kompetenzen wird KI vermutlich nie erreichen. Sie wird den Arzt nicht überflüssig machen, sondern ihn unterstützen.
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