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Diabetische Retinopathie

[Zuckerbedingte Netzhauterkrankung]

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Diabetes und Auge

Die Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) ist eine schleichend fortschreitende Erkrankung. Infolge der erhöhten Blutzuckerkonzentration treten über Jahre hin immer mehr Veränderungen an den Blutgefäßen im ganzen Körper auf. Diese Gefäßschäden sind die Ursache für Nieren- und Nervenprobleme und auch die gefürchteten Herz-Kreislaufkomplikationen, an denen im Langzeitverlauf der Erkrankung viele Diabetiker leiden.
Auch die Augen sind von den Folgeschäden der Zuckerkrankheit betroffen. Durch die hohe Zuckerkonzentration im Blut verändern sich die winzigen Blutgefäße der Netzhaut (Retina), was mit der Zeit unbehandelt zu erheblichen Sehbeeinträchtigungen führen kann.
Diese Folgekrankheit des Diabetes mellitus nennt man diabetische Retinopathie. Sie ist zunächst im Anfangsstadium mit keinerlei Beeinträchtigungen für die Betroffenen verbunden. Da jedoch eine frühe Diagnose und ein rechtzeitiger Behandlungsbeginn ausschlaggebend sind zum Erhalt des Augenlichtes, muss ein Diabetiker regelmäßig vom Augenarzt untersucht werden.

Diabetische Retinopathie – eine verhängnisvolle Augenkrankheit

Die Gefäßveränderungen an der Netzhaut führen einerseits zu Verschlüssen der Gefäße und damit zu einer Mangelversorgung der Sehzellen, andererseits zu Veränderungen an den Gefäßwänden, die Austritte von Flüssigkeit aus den Gefäßen in das benachbarte Gewebe und so ein Ödem verursachen. Man unterscheidet folgende Formen der diabetischen Retinopathie:

Gesunde Netzhaut

Abb. 1:
Gesunde Netzhaut

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Die nicht-proliferative diabetische Retinopathie

Hier beschränken sich die Gefäßveränderungen auf die Netzhaut. Es kommt z.B. zu Blutungen, Aussackungen der Kapillarwände (Mikroaneurysmen), Ablagerungen (harte Exsudate) und Veränderungen der Venen. Zu diesem Zeitpunkt bemerkt der Patient häufig noch keine Beeinträchtigung seiner Sehkraft.
Typische Veränderungen der Netzhaut bei der nicht-proliferativen diabetischen Retinopathie sind in Abb.2 wiedergegeben.

Nicht-proliferative diabetische Retinopathie

Abb. 2:
Nicht-proliferative
diabetische Retinopathie

Die proliferative diabetische Retinopathie

Schreitet die Krankheit fort, bilden sich neue minderwertige Gefäße, die aus der Netzhaut in den Glaskörper wuchern. In diesem Stadium der diabetischen Retinopathie ist das Sehvermögen stark gefährdet.
Aus den krankhaften Gefäßwucherungen kann es zu Einblutungen in den Glaskörper kommen, die das Sehen stark beeinträchtigen (Abb.3).
Weiterhin können die neuen Gefäße die Netzhaut wie „Zugseile“ von ihrer Unterlage ablösen.

Proliferative diabetische Retinopathie mit Einblutung in den Glaskörper

Abb. 3
Proliferative diabetische Retinopathie
mit Einblutung in den Glaskörper

Über die bisher geschilderten Veränderungen hinaus kann häufig auch der sogenannte gelbe Fleck (Makula) und damit die Stelle des schärfsten Sehens in der Mitte der Netzhaut von den Diabetesfolgen betroffen sein. Man spricht dann von einer sogenannten diabetischen Makulopathie. Ist dieser wichtige Netzhautbereich, der u.a. für das das scharfe Sehen entscheidend ist, von den diabetesbedingten Gefäßveränderungen betroffen, so droht eine Zerstörung der zentralen Sehzellen (Photorezeptoren).

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Das kann zur Sehminderung mit Verlust der Lesefähigkeit bis sogar zur weitgehenden Erblindung führen. Bei der diabetischen Makulopathie ist vor allem die Undichtigkeit der geschädigten Netzhautgefäße ein wesentliches Problem, wodurch es zu einer chronischen Schwellung der Makula, dem sogenannten Makulaödem kommt. Diese Netzhautschwellung beeinträchtigt die Sehfunktion und verstärkt die Durchblutungsstörung der Makula. Mit zunehmender Dauer des Ödems führt dies unbehandelt zur unwiederbringlichen Schädigung der zentralen Netzhaut mit bleibendem Sehschärfenverlust.
Wird dem Fortschreiten der diabetischen Retinopathie bzw. der diabetischen Makulopathie nicht Einhalt geboten, ist das Augenlicht akut gefährdet.

Wie nimmt der Patient die diabetische Retinopathie wahr?

Dem Diabetiker bleiben die sein Sehvermögen bedrohenden Veränderungen lange Zeit verborgen. Meist bemerken die Patienten eine Sehminderung, wie verschwommenes oder verzerrtes Sehen, blinde Flecken oder auch einen totalen Sehverlust erst, wenn die Diabeteserkrankung die Sehzellen in der Netzhautmitte (Makula) schädigt, oder es zu sehbeeinträchtigenden Komplikationen infolge der proliferativen Retinopathie, wie z.B. Blutungen in den Glaskörper, gekommen ist. Um das Sehvermögen möglichst uneingeschränkt zu erhalten, ist es dann allerdings häufig zu spät.
Daher sollte jeder Diabetiker gleich zu Beginn seiner Erkrankung seinen Augenarzt aufsuchen. Danach ist eine regelmäßige augenärztliche Kontrolle auch bei gutem Sehvermögen unbedingt notwendig.

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Diese soll jährlich, bei fehlenden Risikofaktoren und sehr guter Einstellung von Diabetes und Blutdruck zweijährlich erfolgen, wenn keine Augenschäden bekannt sind. Bei bestehenden Augenveränderungen wird Ihr Augenarzt Ihnen ein meist kürzeres Kontrollintervall empfehlen.

Untersuchung und Behandlung der diabetischen Retinopathie

Die Untersuchung zur Feststellung der diabetischen Netzhautveränderungen ist für den Patienten nicht belastend. Die Pupille wird dazu mit Augentropfen erweitert, um einen besseren Einblick auf die Netzhaut zu erhalten. Die Abb. 4 zeigt die Untersuchung, bei der die Augenärztin mit Hilfe eines Stereomikroskops und einer kleinen Lupe die Netzhaut betrachtet.

Wenn dabei eine diabetische Makulopathie mit zentraler Netzhautschwellung (Makulaödem) erkannt wird, so wird meist eine eingehendere Untersuchung erforderlich, um die passende Therapie auszuwählen und den Therapieerfolg überwachen zu können. Einerseits kann es dabei nötig sein, die Netzhaut-Durchblutung durch eine Gefäßdarstellung (Angiographie) genauer zu untersuchen, wobei ein wasserlöslicher fluoreszierender Farbstoff in die Armvene injiziert wird. Andererseits ist oft eine genaue Vermessung und Darstellung des Makulaödems, sowie ein Ausschluß Ödem-verstärkender Anheftungen des Glaskörpers an die Makula zur Therapieplanung erforderlich. Dazu wird die optische Kohärenztomographie (OCT) verwendet, bei der mittels lasergestützter Aufnahmetechnik eine 3-dimensionale hochauflösende Schicht-Darstellung der Makula erzeugt wird.

Netzhautuntersuchung an der Spaltlampe

Abb. 4
Netzhautuntersuchung
an der Spaltlampe
© Universitätsaugenklinik Bonn

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Diese nicht invasive Untersuchungsmethode erlaubt es, sogar einzelne Netzhautzellschichten genau zu beurteilen. Durch wiederholte Untersuchung mit Vermessung der Makula ist so ein Therapieerfolg exakt beurteilbar und die Notwendigkeit neuerlicher Therapie bei Rückkehr des Ödems frühzeitig erkennbar, bevor es zu einem Sehverlust kommt.

Behandlungsmöglichkeiten

Ist die diabetische Retinopathie noch nicht allzu weit fortgeschritten, kann z.B. durch eine Laserbehandlung der Netzhaut oft ein weiteres Fortschreiten der Gefäßveränderung, sowie eine nachfolgende sehmindernde Blutung in den Glaskörper oder Netzhautablösung verhindert werden. Die Laserbehandlung erfolgt in Tropfenbetäubung und ambulant. Je früher Gefäßveränderungen durch den Augenarzt erkannt und behandelt werden, umso sanfter kann die Behandlung sein und umso besser sind die Ergebnisse.

Bestehen zentrale Netzhautveränderungen (Makulopathie) mit Schwellung der Netzhautmitte (Makulaödem), stellen wiederholte Medikamenteneingaben in den Glaskörperraum des Auges eine bei den meisten Betroffenen erfolgreiche Behandlungsoption dar. Dabei werden Medikamente, wie VEGF-Inhibitoren, die gefäßabdichtend wirken, und manchmal auch Kortisonpräparate verwendet. Die Medikamenteneingaben erfolgen ambulant unter lokaler Tropfbetäubung des Auges in einem sterilen Eingriffsraum. Mehrfache Wiederholungen des Eingriffes in monatlichem Abstand sind in der Regel für ein Abschwellen des Ödems erforderlich.

Schema-Zeichnung der Vitrektomie

Abb. 5
Schema-Zeichnung der
Vitrektomie

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Regelmäßige Kontrolluntersuchungen sind Behandlungsvoraussetzung, da je nach Befund im Verlauf weitere Medikamenteneingaben oder ein Beenden oder Pausieren der Therapie erforderlich ist. Auch eine Kombination aus Laserbehandlung und Medikamenteneingabe in das Auge kann gelegentlich sinnvoll sein. Wenn in der Schichtdarstellung der Makula (OCT) festgestellt wird, dass ein Zug des Glaskörpers (Traktion) auf die Netzhautmitte das Ödem wesentlich verstärkt, oder bereits eine Blutung im Glaskörperraum oder eine Netzhautablösung vorliegen, kann auch eine Operation mit Entfernung des Glaskörpers (Vitrektomie) notwendig werden.
Neben der augenärztlichen Behandlung ist eine konstant und dauerhaft gute Blutzucker- und Blutdruckeinstellung von zentraler Bedeutung. Dies sind die besten Garanten, um das Entstehen einer diabetischen Retinopathie zu verhindern bzw. das Fortschreiten der Netzhautveränderungen zu unterbinden. Dabei sollten normale Blutdruckwerte und ein niedriger Langzeit-Blutzuckerwert (HbA1c-Wert) angestrebt werden.

Diabetes und Auge – ein vielschichtiges Problem

Bei dauerhaft schlechter Blutzuckereinstellung kommt es häufig zu Schwankungen der Sehschärfe. Diese sind gerade in der Einstellungsphase mit Insulin sehr ausgeprägt und führen dazu, dass sich die Stärke der benötigten Brillengläser mehrfach ändern kann. Ähnliche Effekte können durch diabetische Netzhautveränderungen hervorgerufen werden. Deswegen sollte die Untersuchung für eine neue Brillenkorrektur beim Diabetiker nur bei stabiler Blutzuckereinstellung und unter Kenntnis des aktuellen Netzhautbefundes erfolgen.
Bei starken, diabetisch bedingten Schwankungen der Sehschärfe sollte auf das Autofahren verzichtet werden.

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Vorbeugung durch Früherkennung

Bemerkt der Patient Sehverschlechterungen, sind häufig die Veränderungen der Netzhautgefäße bereits sehr weit fortgeschritten. Die Gefahr einer ernsthaften Sehbehinderung kann nur dadurch abgewendet werden, dass die diabetische Retinopathie gleich zu Beginn erkannt und rechtzeitig behandelt wird. Mit einer Feststellung der Sehschärfe allein – wie z.B. anlässlich einer Brillenbestimmung üblich – kann eine diabetische Retinopathie weder aufgedeckt, geschweige denn ausgeschlossen werden, zumal die diabetischen Augenhintergrundsveränderungen oft nicht an der Stelle des schärfsten Sehens beginnen.
Die Empfehlungen der „Initiativgruppe zur Früherkennung diabetischer Augenerkrankungen“, der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft und des Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands lauten daher:

  • Unmittelbar nach Feststellung des Diabetes mellitus sollte bei allen Diabetikern eine augenärztliche Untersuchung erfolgen. Diese sofortige Maßnahme ist umso wichtiger, da oftmals nicht bekannt ist, wie lange die diabetische Stoffwechselerkrankung bereits besteht!
  • Bei allen Diabetikern sind regelmäßige augenärztliche Kontrolluntersuchungen unter Weitstellung der Pupillen mit einem Abstand entsprechend der Empfehlung des Augenarztes erforderlich!
  • Diese augenärztlichen Untersuchungen sind wichtig, damit der beste Zeitpunkt für eine Behandlung erkannt wird.
  • Etablierte erfolgreiche Therapieverfahren sind je nach Krankheitsbefund eine Laserbehandlung, eine Medikamenteneingabe in den Glaskörper oder eine Netzhaut-Glaskörper-Chirurgie.

Lassen Sie regelmäßig bei einem Augenarzt Ihre Netzhaut untersuchen und ggf. behandeln! Ihr Augenarzt wird alle Möglichkeiten der modernen Augenheilkunde einsetzen, um Ihr Sehvermögen zu erhalten.

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