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Leitlinien von BVA und DOG

Anhang zu Leitlinie Nr. 28:

Empfehlungen zum diagnostischen Vorgehen bei Verdacht auf Orbitaerkrankungen

Prof.Dr. R. Guthoff

Erläuterungen:
= Weg des Vorgehens
= Differentialdiagnostische Alternativen

Ausführliche Anamnese und ophthalmolgische Untersuchung (1)

Kein meßbarer Exophthalmus oder keine zusätzlichen pathologischen Befunde

Pseudoexophthalmus (2)

Nutzung von Zusatzbefunden

Exophthalmus mit Zusatzbefunden

Orbitaechografie (falls nicht verfügbar CT, in Ausnahmefällen MRT)

  • Oberlidretraktion:
    Endokrine Orbitopathie (3)
  • Bulbusvergrößerung:
    hohe Myopie, Buphthalmus
  • kontralateraler Enophthalmus

pathologischer Befund

Normalbefund

  • Orbitawandbeteiligung ± Schallfortleitung

    CT

    Konsil HNO oder Nachbardisziplinen (4)

    DD: Sinugene Phlegmone
    DD: Nebenhöhlenneoplasie, Mukozele, bakterielle oder Pilzinfektion der Nebenhöhlen

  • Muskelverbreiterung

    DD: endokrine Orbitopathie, Myositis, Muskelmetastase, AV-Fistel

    bei klassischen Myositiszeichen evtl. Diagnosesicherung "ex juvantibus" durch Steroidstoßtherapie (eine deutliche Befundbesserung ist nach 24 h zu erwarten)

  • Sehnervenquerschnitt vergrößert (bei bilateralem Befund Hirndruck ausschließen)

    DD: Optikusscheidenmenigeom, Optikusgliom (Morbus Recklinghausen?) Meningeosis carcinomatosa

    MRT

  • infiltrative Raumforderung

    DD: Pseudotumor (5)

    Zellulitis (evtl. CT zum Ausschluß einer Nebenhöhlen-Beteiligung

    Lymphom, Metastase (inzisionale Biopsie)
    Merke: Infiltrative Raumforderungen sind fast ausnahmslos (ggf. nach inzisionaler Biopsie) konservativ zu behandeln

  • expansive Raumforderung (6)

    CT, MRT

    DD: kavernöses Hämangiom, exophytisch wachsendes Meningeom, Gliom, Neurinom, Neurofibrom
    Merke: Expansive Raumforderungen sind meist durch Exstirpation zu behandeln

  • Gefäße darstellbar (in konventioneller Schnittbildtechnik)

    DD: spontane oder traumatische AV-fistel, Varix, Thrombose der V. ophthalmica superior ± Sinus-cavernosus-Beteiligung

    CT, MRT, DSA (Digitale Subtraktions-Angiografie), Fistelverschluß evtl. durch interventionelle radiologische Maßnahmen möglich

  • Läsion in Fossa lacrimalis

    CT

    DD: Knochenbeteiligung, intraläsionale Verkalkungen, im CT hyperdense Areale

Anmerkungen zum Flußdiagramm

(1)
Die Anamnese und die sorgfältige ophthalmologische Untersuchung bilden die Grundlage jeder Beurteilung eines Patienten mit Verdacht auf eine Orbitaerkrankung. Nahezu das gesamte diagnostische Spektrum der Augenheilkunde ist notwendig, insbesondere neuroophthalmologische Untersuchungsmethoden, um das Krankheitsbild eines Orbitapatienten zu erfassen. Besonders hervorzuheben sind:

  • die Vermessung der Lage des Bulbus in allen Raumkoordinaten (Exophthalmometer nach Hertel, "Kestenbaumbrille")
  • Visusprüfung und Refraktionsbestimmung unter besonderer Berücksichtigung möglicher Refraktionsänderungen (z.B. Hyperopisierung durch Bulbusimpression)
  • Gesichtsfelduntersuchungen, Schwellenperimetrie, gezielte Suche nach Nervenfaserausfällen
  • beidseitige Messung des intraokularen Drucks unter Beobachtung von möglichen seitendifferent auftretenden pulssynchronen Druckschwankungen, Messung in unterschiedlichen Blickrichtungen zur Einschätzung von Dehnungsverlusten bestimmter Augenmuskeln (Blickrichtungstonometrie)
  • Beurteilung des Füllungszustandes und des Verlaufs der konjunktivalen und episkleralen Gefäße, auch im Hinblick auf sektorielle Unterschiede
  • Prüfung auf Hornhautsensibilität
  • Prüfung der Hautsensibilität der Lid- und Periorbitalregion
  • Palpationsbefund
  • Motilitätsanalyse unter besonderer Berücksichtigung der Bulbusbewegungsstrecken nach Kestenbaum
  • Beurteilung der intraokularen Gefäßsituation (Iris, Kammerwinkelregion, Fundus (mögliche einseitige Verschiebung der Kaliberrelation Arterie - Vene))
  • Suche nach Netzhaut-/Aderhautfalten
  • präzise, möglicherweise quantitative Beurteilung der Papille
  • Prüfung der Pupillenmotorik unter besonderer Beachtung möglicher afferenter Pupillendefekte, ggf. zu quantifizieren
  • Erfassung von Konduktionsdifferenzen rechts - links durch Messung visuell evozierter Potentiale (Muster-VEP)

(2)
Unter Pseudoexophthalmus versteht man eine z.B. durch eine Lidspaltenerweiterung vorgetäuschte oder tatsächliche Ventralverlagerung des Hornhautscheitels (z.B. durch einen vergrößerten sagittalen Bulbusdurchmesser ohne Volumenzunahme der übrigen Orbitaweichteile).

(3)
Die Oberlidretraktion und das Zurückbleiben des Oberlides bei Blicksenkung (von Graefe'sches Zeichen) sind die wichtigsten Hinweise für das Vorliegen einer endokrinen Orbitopathie. Sie sollten ohne weitere bildgebende Diagnostik zu einer Analyse der Schilddrüsenparameter Anlaß geben.

(4)
Ein Exophthalmus kann das Erstsymptom einer von den Nebenhöhlen ausgehenden Entzündung oder einer Neoplasie sein. Der subperiostale Spaltraum kann sich durch den pathologischen Prozeß entfalten und eine direkte Beteiligung der Orbitaweichteile mit komplexerer Symptomatik verzögern.

(5)
Der Pseudotumor orbitae stellt eine nicht erregerbedingte, nicht mit einer Systemerkrankung in Zusammenhang stehende, entzündliche Orbitaerkrankung dar. Einzelne oder mehrere Weichteilstrukturen können betroffen sein; auch eine diffuse Infiltration aller Strukturen kommt vor. Kinder und Erwachsene können betroffen sein. Bei Kindern liegen bei 50 % bilaterale Befunde vor; bei Erwachsenen läßt ein bilateraler Befund an eine Systemerkrankung (lymphoproliferativ, systemische Vaskulitis) denken.

(6)
Expansive Raumforderungen stellen ca. 20 % aller Orbitaprozesse dar. Nahezu alle Tumoren können auch in der Orbita auftreten. Ob eine inzisionale Biopsie oder eine in-toto-Exstirpation sinnvoll sind, hängt von Lage und Ausdehnung der Veränderung ab.


Letzte Durchsicht und Aktualisierung: 20.12.1998


Leitlinien sind Orientierungshilfen im Sinne von "Handlungs- und Entscheidungskorridoren", von denen in begründeten Fällen abgewichen werden kann oder sogar muss. Sie beschreiben, was Augenärzte für eine angemessene Patientenversorgung in der Praxis für geboten halten. Dies entspricht in vielen Fällen nicht dem Leistungsniveau der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland. Die augenärztliche Basisdiagnostik wird aus Vorsorgegründen empfohlen. Die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland gewährt derzeit keinen primären Anspruch auf augenärztliche Vorsorge von Sehstörungen und Erkrankungen des Sehorgans (siehe Präambel).

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