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Leitlinien von BVA und DOG

Leitlinie Nr. 28

Orbitaerkrankungen / Exophthalmus (1, 2)

Definition

  • Krankhafte Veränderungen im Orbitabereich mit oder ohne Raumforderung; Orbitabeteiligung bei Systemerkrankungen oder Erkrankungen orbitabenachbarter Strukturen
  • Exophthalmus (einseitig/beidseitig):
    • Ventralverlagerung des Augapfels (Abstand: laterale Orbitakante und Hornhautscheitel)

      Mittelwerte bei Erwachsenen:

      Frauen

      15 - 17 mm

      Variationsbreite 10 - 21 mm

      Männer

      16 - 18 mm

      Variationsbreite 12 - 23 mm

    • Seitendifferenz von mehr als 2 mm.

Epidemiologie

Häufigste Ursachen des Exophthalmus

  • bei Kindern
    • einseitig: sinugene eitrige Entzündung
    • beidseitig: Leukämie und Neuroblastom-Metastasen
  • bei Erwachsenen
    • einseitig und beidseitig: endokrine Orbitopathie

Ziel

  • Erkennung und Behandlung systemischer oder orbitanaher Grunderkrankungen ggf. interdisziplinär
  • Behandlung des Lokalbefundes, Beseitigung/Linderung funktioneller Störungen
  • Verhinderung von Komplikationen, die das Sehvermögen bedrohen

Vorgehen

Notwendig:

  • Anamnese bei Folgeuntersuchung
    • Änderung der okulären und/oder allgemeinen Symptome ?
    • ggf. Auswirkungen einer Therapie ?
  • Inspektion der Augen und ihrer Adnexe
  • Sehschärfenprüfung, ggf. mit bekannter Korrektur (falls erforderlich Ausmessen vorhandener Sehhilfen)
  • Prüfung auf Lage, Stellung und Beweglichkeit der Augen und Lider
  • quantitative Exophthalmometrie
  • Prüfung auf afferente/efferente Pupillenstörung
  • Spaltlampenuntersuchung der vorderen Augenabschnitte
  • Untersuchung des zentralen Augenhintergrundes
  • Dokumentation
  • Befundbesprechung und Beratung

Im Einzelfall erforderlich:

  • Anamnese (zumindest bei Erstuntersuchung)
    • welche Beschwerden und seit wann (z.B. Schmerzen) ?
    • Veränderung von Lage und Stellung eines oder beider Augäpfel ?
    • schleichend oder kurzfristig ?
    • festgestellt durch Eigen- oder Fremdbeobachtung ?
    • Auftreten von Doppelbildern ?
    • Minderung des Sehvermögens ?
    • Allgemeinerkrankungen (z.B. Schilddrüse) ?
    • Allgemeinbeschwerden (z.B. Ödeme) ?
  • ggf. Vergleich mit alten Fotos
  • weiterführende Untersuchungen der altersentsprechenden Basisdiagnostik (z.B. bei durch den Lokalbefund nicht zu erklärender Visusminderung oder bei Patienten, die sich erstmals oder nach einem Intervall von über einem Jahr nach der letzten augenärztlichen Basisdiagnostik vorstellen, siehe Leitlinien Nr. 2 - 4)
  • Prüfung der Lidspaltenweite in Primärposition, bei Auf- und Abblick
  • Vermessung der Bulbuslage in den Raumkoordinaten (neben Exophthalmometer auch "Kestenbaumbrille")
  • Prüfung der Sensibilität von Lid-/Periorbitalregion und Hornhaut
  • Auskultation der Orbitaregion
  • Exophthalmometrie in Kopftieflage bzw. bei Valsalva-Manöver
  • Blickrichtungstonometrie
  • schwellenbestimmende oder dieser gleichwertige Perimetrie
  • Untersuchung des Augenhintergrundes in Mydriasis
  • bei Oberlid-Retraktion, sonstigen okulären endokrinen Zeichen oder anamnestischen Hinweisen schilddrüsenrelevante Labordiagnostik (z.B. fT3, fT4, basales TSH, TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK), mikrosomale Antikörper (MAK))
  • bildgebende Verfahren bei klinisch nicht ausreichend abklärbarem Befund (insbesondere bei Einseitigkeit): Ultraschalluntersuchung, CT und/oder MRT, ggf. DSA
  • Muster-VEP bei Verdacht auf Optikus-Kompression (u.a. Seitenvergleich)
  • Untersuchung des Farbsinns einschließlich Blausinn (z.B. Velhagentafeln, Panel D 15 einschließlich Seitenvergleich)
  • Motilitätsanalyse unter besonderer Berücksichtigung der monokularen Bulbusbewegungsstrecken
  • Traktionstest mit Pinzette in Oberflächenanästhesie
  • Kommunikation mit Hausarzt / zuständigem Facharzt

Therapie

Therapie der verursachenden Erkrankung des Exophthalmus (z.B. Tumoren) in Abstimmung mit zuständigem Hausarzt / Facharzt

  • alle Exophthalmus-Formen
    • Behandlung morphologischer Veränderungen (z.B. Hornhaut-Pflege)
    • optischer Ausgleich (z.B. absorbierende Gläser, Prismenverordnung zur Wiederherstellung von Diplopie-Freiheit beim Blick geradeaus)
    • Verhinderung irreversibler funktioneller Ausfälle (z.B. Dekompressionsoperation)
  • endokrine Orbitopathie
    allgemein
    • Einstellen einer stabilen euthyreoten Stoffwechsellage durch den zuständigen Facharzt / Hausarzt
    ophthalmologisch
    • in der aktiven entzündlichen Phase je nach Stadium ggf.:
      • systemisch Glukokortikoide
      • retrobulbäre Bestrahlung
      • Kombination beider Verfahren
      • OP zur Entlastung des Orbitalraums
    • in der inaktiven Phase je nach Befund und Beschwerden ggf.:
      • Augenmuskeloperation (siehe auch Leitlinie Nr. 27)
      • Korrektur von Lidfehlstellungen (siehe auch Leitlinie Nr. 9)

Ambulant/Stationär

  • Diagnostik in der Regel ambulant
  • chirurgische Therapie ambulant oder stationär

Kontrollintervalle

  • abhängig von Diagnose, Befund und angewandtem Verfahren
  • engmaschig bei Hornhautkomplikationen und/oder drohender Einbuße des Sehvermögens
  • in enger Abstimmung mit zuständigem Facharzt / Hausarzt

(1) Sektion Schilddrüse der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie: "Diagnostik und Therapie von Schilddrüsenkrankheiten", Der Internist (1997) 38: 177

(2) siehe Anhang: Guthoff, R.: "Empfehlungen zum diagnostischen Vorgehen bei Verdacht auf Orbitaerkrankungen", 1998


Letzte Durchsicht und Aktualisierung: 20.12.1998


Leitlinien sind Orientierungshilfen im Sinne von "Handlungs- und Entscheidungskorridoren", von denen in begründeten Fällen abgewichen werden kann oder sogar muss. Sie beschreiben, was Augenärzte für eine angemessene Patientenversorgung in der Praxis für geboten halten. Dies entspricht in vielen Fällen nicht dem Leistungsniveau der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland. Die augenärztliche Basisdiagnostik wird aus Vorsorgegründen empfohlen. Die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland gewährt derzeit keinen primären Anspruch auf augenärztliche Vorsorge von Sehstörungen und Erkrankungen des Sehorgans (siehe Präambel).

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